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Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit*

24.04.2024: Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist? Wissenschafter:innen aus Wien sind auf eine verblüffende Erklärung gestoßen: Sie werden durch gesundes Gewebe angeregt. Dadurch kommen sie nie zur Ruhe und sind sofort startklar, wenn ihr Einsatz benötigt wird. Mit dieser Erkenntnis könnten in Zukunft Medikamente entwickelt werden, um die Aufmerksamkeit unseres Immunsystems gezielt zu steigern. Die Studie wurde im Fachjournal Nature Immunology veröffentlicht.

In der Immunabwehr ist Kommunikation entscheidend: Wenn zum Beispiel ein Virus eine Zelle infiziert, dann setzt die Zelle Signalmoleküle frei. Dadurch werden Abwehrzellen alarmiert, und in kürzester Zeit ist unser gesamtes Immunsystem aktiv. Immunzellen verarbeiten diese Signale insbesondere über den JAK-STAT-Signalweg – benannt nach Janus, dem zweiköpfigen römischen Gott des Anfangs und des Endes. Dieser Signalweg wirkt wie ein direkter Draht von der Signalerkennung zum Kern der Abwehrzellen, wo er eine Reihe von Genen aktiviert und die Zellen in den Angriffsmodus versetzt.

Selbst wenn gerade keine Gefahr droht, müssen unsere Abwehrzellen immer wachsam sein. Gleichzeitig dürfen sie keine Schäden durch unnötige Aktivität anrichten, wie es bei Autoimmunerkrankungen der Fall ist. Wie unsere Abwehrzellen die Balance halten, ist bisher kaum verstanden. Ein Team von Wiener Forschungsgruppen (www.jak-stat.at) hat nun in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Immunology“ eine Erklärung präsentiert: „Derselbe JAK-STAT-Signalweg, der die Abwehrzellen bei einer Infektion aktiviert, hält sie auch in Bereitschaft“ erklärt Christoph Bock, Principal Investigator am CeMM und Professor an der MedUni Wien. Die Abwehrzellen müssen daher bei einer Infektion nur die Intensität des Signalwegs erhöhen; das geht viel schneller, als einen Signalweg komplett neu anzuschalten.

Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, hat das Team zwölf verschiedene Maus-Modelle untersucht, bei denen jeweils eine Komponente des JAK-STAT-Signalweg genetisch verändert ist. Diese Mäuse wurden frei von Krankheiten aufgezogen und mit genetisch unveränderten Mäusen verglichen. Dabei fiel auf, dass diesen Mäusen die charakteristische Genaktivität und epigenetische Regulation des Bereitschaftszustands teilweise fehlte. Etwas Ähnliches passierte auch, wenn die Abwehrzellen aus ihrem natürlichen Umfeld gerissen und im Labor gehalten wurden: Sie verloren ihren charakteristischen Bereitschaftszustand und teilweise sogar ihre Identität als Abwehrzellen.

Das Team analysierte die Gen-Expression und Epigenetik von Immunzellen und Gewebe-Proben, die von sieben Forschungsteams aus Wien gesammelt wurden. „Unsere Analysen waren nur durch die Etablierung einheitlicher Laborstandards sowie robuster statistischer Methoden möglich“, erklärt der Bioinformatiker Nikolaus Fortelny (Erstautor und mittlerweile Professor an der Uni Salzburg). „Wir konnten zeigen, dass Signalwege wie JAK-STAT im Bereitschaftszustand andere Funktionen als während einer Immunantwort besitzen“, beschreibt der Molekularbiologe Matthias Farlik (ebenfalls Erstautor und mittlerweile Gruppenleiter an der MedUni Wien) das Projekt.

„JAK-STAT ist ein zentraler Mechanismus unseres Körpers, um Immunsignale zu kommunizieren“, fasst Thomas Decker (Professor an den Max Perutz Labs und der Uni Wien) die Relevanz der Studie zusammen. „Unsere Studie bietet dabei Einblicke in die Rolle des Immunsystems: Nicht nur auf Angriffe zu reagieren, sondern auch die Wachsamkeit zu erhalten, ohne unnötige Schäden anzurichten“, ergänzt Mathias Müller (Professor an der Vetmeduni). Gene des JAK-STAT-Signalwegs sind bei Personen mit Immunerkrankungen und bei Krebs bisweilen krankhaft verändert. Aus dieser Forschung ergeben sicher daher auch mögliche Ansätze für neue Therapien.

 

Der Artikel „JAK-STAT signaling maintains homeostasis in T cells and macrophages“ erschien in Nature Immunology.
 

Autor:innen: Nikolaus Fortelny, Matthias Farlik, Victoria Fife, Anna-Dorothea Gorki, Caroline Lassnig, Barbara Maurer, Katrin Meissl, Marlies Dolezal, Laura Boccuni, Aarathy Ravi Sundar Jose Geetha, Mojoyinola Joanna Akagha, Anzhelika Karjalainen, Stephen Shoebridge, Asma Farhat, Ulrike Mann, Rohit Jain, Shweta Tikoo, Nina Zila, Wolfgang Esser-Skala, Thomas Krausgruber, Katarzyna Sitnik, Thomas Penz, Anastasiya Hladik, Tobias Suske, Sophie Zahalka, Martin Senekowitsch, Daniele Barreca, Florian Halbritter, Sabine Macho-Maschler, Wolfgang Weninger, Heidi A. Neubauer, Richard Moriggl, Sylvia Knapp, Veronika Sexl, Birgit Strobl, Thomas Decker, Mathias Müller, Christoph Bock

 

Wissenschaftlicher Artikel


Förderung: Diese Arbeit wurde vom Wissenschaftsfonds FWF (SFB F61), der Europäischen Organisation für Molekulare Biologie (EMBO) und dem Europäischen Forschungsrat (ERC) gefördert.


Der von der Veterinärmedizinischen Universität Wien koordinierte Spezialforschungsbereich (SFB F61) "Chromatinlandschaften prägende Monarchien und Hierarchien" wird vom Wissenschaftsfonds (FWF) gefördert. Das Forschungsnetzwerk um Mathias Müller zielt seit fast zwei Jahrzehnten darauf ab, Einblicke in die Rolle des JAK-STAT Signalwegs in der Entstehung und Behandlung von Infektionen, Entzündungen und Krebs zu gewinnen.

Der SFB ist eine vom FWF  unterstützte Forschungsplattform, die die Forschungsaktivitäten eines Netzwerkes an ForscherInnen unterschiedlicher Universitäten bündelt.
Gemeinsame Standards und Protokolle bieten einen erheblichen Mehrwert für alle Beteiligten. Die enge Zusammenarbeit von ExpertInnen in der Molekular-, Epi- und Tumorgenetik, der Pharmakologie, Bioinformatik sowie Intensivmedizin ist weltweit einzigartig.

Neben den drei Forschergruppen der Vetmeduni an der Genetik, der Pharmakologie und der Medizinischen Biochemie sind die Max Perutz Labs der Universität Wien, die Medizinische Universität Wien und das Research Center for Molecular Medicine der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beteiligt.

 

*Presseinformation CeMM, MedUni Wien und Vetmeduni